- Ruhrbesetzung
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Ruhrbesetzung,Ruhrgebiet (Geschichte).IIRuhrbesetzungDer Vertrag von Rapallo sowie die ständigen Versuche Deutschlands, die Reparationsverpflichtungen einer Revision zu unterziehen, hatten für den französischen Ministerpräsidenten Poincaré den Beweis geliefert, dass Nachgiebigkeit gegenüber dem ehemaligen Kriegsgegner fehl am Platze war. Als die Alliierte Reparationskommission Ende des Jahres 1922 einen geringfügigen Rückstand bei den deutschen Holz- und Kohlelieferungen feststellte, entschloss er sich, die schon geplante Besetzung des Ruhrgebietes im Januar 1923 durchzuführen, zum einen, um sich eine militärische Sicherheitsgarantie zu verschaffen, zum anderen, um der eigenen Erzindustrie die notwendigen Kohlelieferungen zu sichern.Die Besatzungstruppen, bestehend aus französischen und belgischen Einheiten, übernahmen den Auftrag, die Arbeit einer Kontrollkommission aus Ingenieuren, die die Reparationsleistungen zu überwachen hatte, zu begleiten. Sie unterstellten die industrielle und staatliche Verwaltung ihrer Kontrolle, um auf diese Weise in den Besitz »produktiver Pfänder« zu gelangen. Poincaré verfolgte mit seinem Ruhrunternehmen zugleich das Ziel, das nach seiner Auffassung im Versailler Vertrag Versäumte nun nachzuholen, nämlich Deutschland auf die Rheingrenze zurückzudrängen.Die allgemeine Entrüstung in Deutschland war groß. Die Reichsregierung stellte alle Reparationslieferungen an Frankreich und Belgien ein und rief die Bevölkerung des besetzten Gebiets zu passivem Widerstand auf. Als dieser weitgehend befolgt wurde, reagierte die Besatzungsmacht mit der Ausweisung von Beamten und mit der völligen Abschnürung des Ruhrgebietes vom Reich. Die Regierung in Berlin unterstützte die streikende Bevölkerung mit Geld- und Sachleistungen nach Kräften. Die finanzielle Überbeanspruchung musste in kurzer Zeit zur Verschärfung der Inflation und zum wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands führen, zumal auch die Steuereinnahmen aus dem besetzten Gebiet ausfielen. Es setzte rasch ein ungeheurer Wertverfall der Mark ein.Die deutsche Regierung hoffte, dass Frankreich und Belgien bald zur Einsicht kommen würden, zumal ihre Vorgehensweise in den USA und auch in Großbritannien auf deutliche Kritik gestoßen war. Da jedoch Poincaré hart blieb, sah der Reichskanzler und Außenminister der neuen Koalitionsregierung, Gustav Stresemann, nur im Abbruch des passiven Widerstandes (im September 1923) die Möglichkeit zur Herstellung einer Verhandlungsbasis mit Frankreich. Kurz darauf wurden die Reparationszahlungen wieder aufgenommen. Damit waren die Voraussetzungen gegeben, den Gesamtkomplex der Reparationsfrage auf internationaler Ebene neu zu durchdenken; der Weg zum Dawesplan war gewiesen. Wenige Wochen später gelang der Reichsregierung mit der Einführung der Rentenmark ein Auffangen der galoppierenden Inflation und die Sanierung der Währung.
Universal-Lexikon. 2012.